Manfred Hermes, Umtausch und Introjektion. Fassbinders „Berlin Alexanderplatz“

In seinem Buch „Deutschland hysterisieren“ geht Manfred Hermes den konzeptuellen Ebenen in Rainer Werner Fassbinders Fernsehverfilmung von Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“ nach. Es steht im Gegensatz zu einem hierzulande meist anekdotisch geprägten Fassbinder-Bild, das immer noch auf dessen soziale Beziehungen bzw. dem Motiv des auf das eigene Subjektive fixierten Künstlers beruht. Hermes führt aus, wie Fassbinder die Erzählstruktur des im Berlin der 1920er Jahre angesiedelten Alexanderplatz-Romans übertragen hat, einschließlich der von Döblin vorgegebenen Geschlechterverhältnisse, sozialen Dimensionierungen, Wirkungsabsichten und einer psychoanalytisch geprägten Subjektvorstellung. Aus diesen Vorgaben hat Fassbinder dann die eigenständige Konzeption geschichtlicher Zusammenhänge abgeleitet. Im Rahmen seiner Adaption hat er „das Lesen als Produktionsinstanz hinzugefügt und innerhalb dieser gleichen Bewegung eine geschichtliche Dimension erschlossen“ (Hermes). Fassbinders Döblin-Lektüre sei „wie die Inbetriebnahme einer alten U-Bahn Linie, die die Gegenwart mit der Vergangenheit verbindet, im Rückwärtsgang.“

Wie Fassbinder die ästhetischen und konzeptuellen Möglichkeiten, die sich aus der Adaption der Romanvorlage und literarischer Techniken wie der freien indirekten Rede für Erzählperspektive und Subjektkonstruktion ergeben, wird Manfred Hermes in der Ringvorlesung der Hessischen Theaterakademie darlegen.

Der Autor Manfred Hermes ist für zahlreiche Auseinandersetzungen mit narrativem Film und zeitgenössischer Kunst in Katalogen, Zeitungen und Zeitschriften bekannt. Nach Einzelveröffentlichungen über Ull Hohn und Martin Kippenberger ist 2011 „Deutschland hysterisieren. Fassbinder, Alexanderplatz“ bei b_books erschienen.

Date: 
Do, 2012-06-21 19:00
Zu Manfred Hermes, Copyright: b_books